Sammlung Peter Merschroth

Flieger auf dem Griesheimer Sand

Im Jahre 1913 errichtete die preußische Armee auf dem Gelände des Übungsplatzes eine ihrer Fliegerstationen der neuen Luftwaffe. Als erste Einheit wurde am 1.8.1914 die Flieger-Ersatzabteilung 3 (FEA 3) aufgestellt die im Februar 1915 nach Gotha verlegt wurde. In dieser ersten Zeit waren sehr viele bekannte Flieger und Pioniere der Luftfahrt in Griesheim anzutreffen unter anderen: Kurt Student (im 2. Weltkrieg General der Fallschirmjäger), ebenfalls zu Ausbildungszwecken war Hermann Göring vom 16.10 bis 28.10.1914 bei der Abteilung. Nicht zu vergessen, Hauptmann Oswald Boelcke, Führer der JASTA 2, der den Übungsplatz schon aus seiner Zeit beim Telegrafen-Bataillon 3 aus der Vorkriegszeit kannte und hier bis zu seiner Versetzung zur Front als Fluglehrer tätig war. Ernst Udet, mit 62 Luftsiegen einer der bekanntesten Jagdflieger des Weltkriegs und späterer Generalluftzeugmeister, legte ebenfalls in Griesheim seine Militär-Flugzeugführer Prüfung ab. Am 3. März 1915 wurde die Flieger-Ersatzabteilung 9 aufgestellt die bis zum Kriegsende in Griesheim verblieb. Schwerpunkt war die Ausbildung des fliegenden Personals nachdem die Ausbildung der Beobachter in separate Beobachter-Schulen verlegt wurde. Nach Berichten der damaligen Fluglehrer war die Ausbildung auf den betagten Maschinen eher schwierig und höchst gefährlich. Gerade in der Anfangszeit waren die Abstürze während der Ausbild bei weitem höher als die Verluste an der Front. Bei der FEA 9 ware unter anderen der spätere Generalmajor im Reichsluftfahrtministerium Heinrich Rauch als Lehrer für Infanterieflieger an der der Beobachtervorschule tätig. Auch ein zweiter späterer Generalmajor der Luftwaffe, Albert Müller-Kahle absolvierte einen Teil seiner Pilotenausbildung vom 3. August 1916 bis 5 September 1916 bei der FEA 9.
Nach der Kapitulation der deutschen Armee 1918 war der Flugplatz für die Demobilmachung, unter anderem des “Richthofen-Geschwaders” JASTA 1 und der Einheiten vorgesehen die in Griesheim aufgestellt wurden.

Der Flugplatz

Grundlage der Fliegerstation waren die Einrichtungen des Flugpioniers August Euler der in Griesheim seine erste Fabrik für Flugzeuge betrieb. Baulich verändert und angebaut dienten die ursprünglichen Gebäude hauptsächlich als Werkstätte und Flugzeugwerft. Größte Neubaumaßnahmen waren der Bau der Fliegerkaserne und der beiden großen Hangars.

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Die beiden Flugzeughallen und das Vorfeld.

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Demontage der Fliegerhallen durch die Franzosen

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Kommandantur und Verwaltung

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Flieger-Ersatz-Abteilung (FEA)


Waren unmittelbar der Inspektion der Fliegertruppen unterstellt.
Sie hatten die Aufgabe Ersatz an Personal, Bekleidung, Ausrüstung, Bewaffnung und Nachschub für die
Feldeinheiten bereitzustellen.
Auch der Transport von Flugzeugen und Gerät an die Einsatzgruppen wurden nach Weisung der Inspektion der Fliegertruppe von den FEA´s durchgeführt.
Sie hatten die Aufsicht über die angegliederten Fliegerschulen mit der Aufgabe der Ausbildung der Flugzeugführer
bis zur Ablegung der 3. Prüfung.
Weiter oblag ihnen die erste Ausbildung von Beobachtungs-Offizieren in speziellen Lehrgängen.
Bodentruppen sowie technisches Fach- und Hilfspersonal wurde aus- und weitergebildet.
Beförderungs-Vorschläge werden an Inspektion der Fliegertruppen eingereicht.
Der Führer der Abteilung hatte die Befugnisse eines selbständigen Bataillons-Kommandeurs
und die Disziplinarstrafgewalt und Urlaubsbefugnis
Die FEA übte die niedere und Angliederung an die höhere Gerichtsbarkeit aus."

 

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Blick in die Flugzeugwerft

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Halle 2 der Feldflieger

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Zwei hochinteressante Aufnahmen der FEA 9 vom Truppenübungsplatz auf dem Griesheimer Sand

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Personen

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Pilot und Fluglehrer Hans Dieckmann (Jg.1894) vor seiner Maschine im März 1916 in Griesheim

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Zuständiger Lageverwalter der FEA 9

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Anstecknadel der Unteroffiziers-Vereinigung der Flieger-Kompanie auf dem Griesheimer Sand

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Hauptmann Hermann Heise, Chef der FEA 9

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Erste Rekruten der Flieger 1913

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“Veteranen” der Fliegertruppe

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Gruppenbild 1917

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Feldgraue Schulterklappen für Mannschaften der Fliegertruppe

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Auf dem rechten Foto sehen wir fünf Kriegsfreiwillige aus Köln. Wie bei allen anderen Truppengattungen waren auch bei den Fliegern solche Bilder sehr beliebt die einen lokalen Zusammenhang darstellten.

Gefreiter Walter Leistner (geb. 28.7.1895 in Halle-Dölau) war Flugschüler der 1. Kompanie der FEA 9 in Griesheim. Er kehrte am 24.10.1918 als Pilot des Amee-Flugparks 4 in Westflandern nicht mehr von einem Übungsflug zurück. Vermutlich stürzte er mit dem Vizefeldwebel Karl Stoeber in der Nähe der Gemeinde Aerzeele, (heute Aarsele) zwischen Tilt und Gent ab.

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Otto, der Bursche von Hauptmann Heise

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Feldflieger 1916

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Fliegeralltag

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Küche der FEA 9. Mittags gab es 60g Schweinebraten mit Sauerkraut und Kartoffeln

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Maschine “Darmstadt” der FEA 9 vor den Fliegerhallen

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Vereidigung

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Euler Maschine bei der Erprobung

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Auch das Bodenpersonal konnte “fliegen”

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Soldaten der Feldflieger (A) Abteilung Nr. 219

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Tolle Aufnahme aus den Strassen Griesheims. Vor der der Krone stellten sich Zivilisten und Soldaten zu einem Gruppenbild. Auf dem Wagen im Hintergrund sind gut die Tragflaechen eines Flugzeuges zu sehen das sie vermutlich zum Flugplatz transportieren sollte.

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Aufbau eines Artillerie Beobachtungsballons

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Frühe Aufnahme aus den Anfangszeiten der Feldflieger

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Kraftfahrzeug der Flieger-Ersatzabteilung 9

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“Bodenpersonal”.  Kraftfahrer der Griesheimer Fliegereinheit in der typischen Lederbekleidung und dem Kraftfahrerabzeichen an beiden Kragen

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Unterkunft der Kraftfahrer

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Bruchlandungen

Die große Anzahl von Fotos zerstörter und abgestürzter Maschinen zeigt uns wie gefährlich das Fliegen damals war. In der Anfangszeit der militärischen Fliegerei standen für Ausbildungszwecke nur unzureichende Flugzeuge zur Verfügung was zu fast täglichen Flugunfällen führte. Nach Statistiken hatte die Fliegertruppe im 1. Weltkrieg einen Verlust von ca. 5000 Soldaten zu verzeichnen. 1800 Soldaten, also gut ein Drittel,  der getöteten ereilte das Schicksal in der Heimat bei der Ausbildung. Ein weiteres Drittel kamen im Feld bei Unfällen ohne Fremdeinwirkung ums Leben. Lediglich 1400 der Verluste kamen im Luftkampf um und 230 wurden  durch Erdabwehr abgeschossen. Also zwei Drittel der Verluste waren nicht auf ein unmittelbares Kriegsgeschehen zurückzuführen.

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Absturz bei Gernsheim am Rhein

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Absturz einer Euler Maschine auf einem Acker

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Bergungsmannschaft der FEA 9 im Jahr 1917. Das Bild ist beschriftet mit: “Auf dem Weg zum Bruch holen”.

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Original Schulterklappen der 1. Kompanie, FEA 9

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Bruchlandung einer Euler Maschine

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Todessturz von Friedrich Scheidthauer am 17.2.1918

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Am 17.5.1917 machte Leutnant Kauf diese Bruchlandung mit der Maschine “Chamäleon” bei Griesheim

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Unsanfte Landung eines Euler Schulflugzeugs vom Typ B I im Jahr 1914

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Gruppenbild nach einer der zahlreichen Bruchlandungen

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Reste einer im Wald beim Darmstädter Haupbahnhofs abgestürzten Maschine vom Typ Albatros C III. Der Pilot Otto Lindenbaum kam hierbei ums Leben.

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Bei diesem Absturz am 21.1.1918 kamen der Pilot, Paul Herrmann und sein Beobachter Leutnant Paul Fikentscher ums Leben.

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5.9.1917 Bruchlandung von Leutnant Fischert in Griesheim

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“Damenlandung” des Gefreiten John mit einer Albatros B 598 “Distel” am 12.8.1917. Rechts ein Zylinderbruch einer Albatros C VII des gleichen Fliegers

Postkarten der Flieger

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Ausrüstung der Fliegertruppe

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Da die Maschinen während des 1. Weltkrieges meist von wechselnden Feldflugplätzen operierten mußten alle Daten und Meßwerte die  für jeden Start notwendig waren jeweils neu ermittelt werden. Für diese Zwecke wurden transportable und leichte Geräte für diese Zwecke angefertigt. Vermutlich wurden beide Teile, die auch heute noch voll funktionsfähig sind, in der letzten Kriegszeit von einem in Griesheim stationierten Soldaten “Sichergestellt”.

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Der Holzkasten und die Blechdose der Geräte sind im Inneren mit der Bezeichnung der Einheit, hier der Flieger-Abteilung 266, dem Jahr der Indienststellung, 1918 und der Beschaffungsstelle (B.A. XVIII - Bekleidungs- und Beschaffungsamt des 18. Armeekorps, Frankfurt/Main) gestempelt.

Die Flieger-Abteilung (Artillerie) 266 wurde aufgestellt am 31. Oktober 1916 aus der Feldflieger-Abteilung 27 und der 3. Kompanie des Flieger-Bataillons Nr. 3

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Aus zwei Teilen besteht der Windrichtungsanzeiger der mittels einer Schraube leicht montiert werden konnte. Vermutlich wurde er auf einem Dreibein in einer bestimmten Höhe angebracht wofür die unten angebrachte Schraube spricht.

Der sehr leichtgängige Windgeschwindigkeits- messer ist in einer Art Schaumstoffbett gelagert um ihn bei Transport vor Beschädigungen zu schützen. Auch er wurde vermutlich auf einem eigenen Gestell oder mit einem Handgriff zum Einsatz gebracht.

 

Die Fliegertruppe in Griesheim beim Kriegsausbruch 1914
Im Gegensatz zu den meisten anderen Truppengattungen der Armee war die noch sehr junge Fliegertruppe auf eine bewaffnete Auseinandersetzung nur unzulänglich, wenn nicht zu sagen überhaupt nicht, vorbereitet. Vorgesehen waren die Einheiten fast ausschließlich als Artilleriebeobachter und für die Übermittlung von Meldungen.
Ausrüstung
Es standen im September 1914 lediglich einige wenige Flugzeuge für die Ausbildung zur Verfügung. Meist waren es sog. Tauben verschiedener Hersteller und Maschinen der Euler-Werke verschiedenster Ausführungen und Bauarten.
Personal
Erst mit der Mobilmachung begann die Suche nach geeignetem Personal, neben Fliegern wurde hauptsächlich nach Beobachtern gesucht die erst ausgebildet werden mußten. Die wenigen Fachleute, die mit sofortiger Wirkung eingesetzt werden konnten, mußten als Ausbilder fungieren und standen somit für einen schnellen Kriegseinsatz nicht zur Verfügung. Als Ausbilder fungierten teilweise ältere Reserve-Offizier der Artillerie die mit der Modernen Luftkriegsführung nichts anfangen konnten und ihre eigene Ausbildung noch auf dem Stand von 1870/71 erhalten hatten. Um den Personalbedarf schnell zu decken kam das Kriegsministerium auf, teils sonderliche, Ideen. So wurden alle Luftsportvereine im Reich angeschrieben mit der Aufforderung das sich Ballonfahrer als Freiwillige zur Beobachter Ausbildung melden sollten. Angenommen wurden nicht nur Männer mit militärischer Vorbildung sondern jeder der nach Meinung der Abteilung in Frage kam. Bedingung war außerdem das jeder Bewerber sein eigenes Fernglas mitbringen mußte, dies zeigt das nicht einmal ein Minimum an benötigter Ausrüstung vorhanden war.
Bewaffnung
Die ersten Maschinen waren gänzlich unbewaffnet. Obwohl August Euler auf der Internationalen Luftfahrtausstellung in Frankfurt 1912 schon eine mit MG Bewaffnete Maschine für militärische Zwecke vorgestellt hatte sah das Kriegsministerium keine Notwendigkeit Flugzeuge in die taktische Kriegführung einzubeziehen. Erst bei den späteren Einsätzen, besonders an der Westfront, zeigte sich das eine Bewaffnung dringend notwendig war. Bei den zweisitzigen Beobachter-Maschinen begann man die Beobachter mit Handfeuerwaffen, besonders der Pistole 08 und der Mauser C 96, auszurüsten um sich gegen die besser gerüsteten Gegner wenigstens notdürftig behaupten zu können.

 

Wer sich umfassend über die komplette Struktur der Fliegertruppe im 1. Weltkrieg informieren möchte dem empfehle ich die Seite: www.frontflieger.de

Das Ende der deutschen Luftstreitkräfte

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Mit dem Ende des Weltkriegs wurden auch die Einheiten der Luftstreitkräfte demobilisiert und deren Angehörige aus dem aktiven Dienst entlassen. Die meisten Einheiten versuchten eine geordnete Auflösung, möglichst auf Flugplätzen im Reichsgebiet, durchzuführen. Eines der Hauptziele war das Erhalten des flugfähigen Materials und der Ausrüstung aber auch der Schutz von Offizieren und Mannschaften. In Griesheim wurde ein Großteil der Auflösung durch den Armeeflugpark 5 durchgeführt.