Mit der Musterung wurden die jungen Männer in den Kreis der Erwachsenen aufgenommen. Dies wurde gebührend gefeiert, mit geschmückten Wagen und Musik ging es durch die Ortschaft und in den Kneipen wurde mächtig gefeiert. Farbige Bänder, Blumen und Abzeichen machten die zukünftigen Soldaten für jederman erkennbar. Viele dieser Traditionellen Rituale und Lieder haben sich bis heute bei den ”Kerweborsch” in leicht abgeänderter Form erhalten. Auch ist eine große Ähnlichkeit aus der Tradition der Burschenschaften erkennbar, das schräg getragene Band, der immer wieder auftauchende §11 (es wird weiter gesoffen) und viele Trinkrituale entstammen aus den studentischen Überlieferungen. Mit Stolz trugen die zukünftigen Rekruten Metallabzeichen mit den Truppengattungen für die sie eingeteilt worden waren. Infanteristen und Artilleristen dienten zwei, berittene Einheiten wie die Dragoner, drei Jahre. Es bedeutete für das Ansehen des Rekruten einen großen Unterschied in ein Garderegiment einberufen zu werden oder “nur” in eine untergeordnete Einheit. Es ist überliefert das es zwischen zwei Bauernfamilien zu einem Riesenstreit kam weil der Sohn des einen Bauern zu Leibgarde-Infanterie-Regiment 115 nach Darmstadt einberufen wurde der Sohn des anderen aber zum Train 18.
Trotz alledem erwarteten die meisten den Eintritt in die Armee mit großer Freude, versprach die Zeit doch ein ausbrechen aus dem Elternhaus und der ländlichen Enge. Die meisten waren bis zu ihrer Militärzeit kaum über die Orts- oder Kreisgrenzen hinausgekommen. Auch müssen wir uns vorstellen das für uns selbstverständliche Dinge wie ein eigenes Bett, gute Schuhe und Kleidung oder geregelte Mahlzeiten damals nicht selbstverständlich waren. Auch war der Sold war ein ,zwar kleiner, aber überaus lukrativer Anreiz. Bargeld war bei der Landbevölkerung damals sehr knapp, meist wurde bei den Bauern das erwirtschaftete selbst verbraucht oder eingetauscht für Dinge die gerade gebraucht wurden. Der Sold eines Gemeinen betrug ca. 15,-Mark im Monat, da war es schon interessant als Gefreiter 3,-Mark mehr zu verdienen. Diese 10 Pfennig mehr am Tag brachten den Gefreiten den Namen “Schnäpser” ein, da damals ein Schnaps 10 Pfenning kostete. Im Vergleich dazu bekamen Unteroffiziere ca. 40,-Mark monatlich, finanziell richtig lukrativ war der Militärdienst erst für längergediente Hauptmänner oder Majore die zwischen 500,- und 600,-Mark erhielten. Der Rang des Regimentskommandeurs wurde mit ca. 750,-Mark vergütet. Im Vergleich dazu betrug der Monatsverdienst eines Facharbeiters in der Industrie damals zwischen 80,- und 120,-Mark monatlich auf dem Land bekamen Handwerker meist nur um die 40,- bis 60,- Mark, Tagelöhner in der Landwirtschaft zwischen 1,- und 2,-Mark am Tag je nach Jahreszeit.
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